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Berufsgenossenschaften – Aufgaben, Pflichten & Bedeutung im Arbeitsschutz

Berufsgenossenschaften (BG)

Die Berufsgenossenschaften (BG) sind ein zentraler Bestandteil des deutschen Arbeitsschutzsystems. Sie sind Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, zuständig für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Für Unternehmen sind sie ein wichtiger Partner – und gleichzeitig eine Aufsichts- und Kontrollinstanz, die die Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben überprüft.

Berufsgenossenschaften (BG) – ITC Lexikon

Was sind Berufsgenossenschaften?

Berufsgenossenschaften sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts, die den gesetzlichen Auftrag haben:

  • Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu verhüten,

  • nach Eintritt eines Schadensfalles medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation sicherzustellen,

  • Versicherte und Unternehmen finanziell zu entschädigen.

Sie sind nach Branchen gegliedert (z. B. BG Bau, BG Verkehr, BG Handel & Warenlogistik, BG Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse). Jedes Unternehmen in Deutschland muss sich bei der für seine Branche zuständigen BG pflichtversichern – ab dem ersten Beschäftigten.

Wofür sind die Berufsgenossenschaften zuständig?

Die BG haben drei Kernaufgaben:

1. Prävention (Verhütung von Arbeitsunfällen & Berufskrankheiten)

Sie entwickeln und überwachen die Einhaltung von:

  • Unfallverhütungsvorschriften (DGUV Vorschriften)

  • Regeln, Informationen, Grundsätze

  • Branchenlösungen und Handlungshilfen

  • Unterweisungsmaterialien und Schulungen

Zudem führen Technische Aufsichtsbeamte (TAB) Betriebsbesichtigungen durch und prüfen die Arbeitsschutzorganisation.

2. Rehabilitation nach Unfällen oder Erkrankungen

Die BG übernimmt:

  • medizinische Versorgung

  • Reha-Maßnahmen

  • Umschulungen

  • berufliche Wiedereingliederung

  • psychologische Betreuung

Nach dem Prinzip „Reha vor Rente“.

3. Entschädigung

Wenn Beschäftigte durch Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten dauerhaft geschädigt sind, zahlt die BG:

  • Verletztengeld

  • Renten

  • Hinterbliebenenleistungen

  • Kostenübernahmen (z. B. Haushaltshilfe, Pflegegeld)

Welche Pflichten haben Unternehmen gegenüber der Berufsgenossenschaft?

1. sich anmelden und Beiträge zahlen

  • Pflichtmitgliedschaft ab dem ersten Beschäftigten

  • Beiträge richten sich nach Gefahrklasse + Lohnsumme

2. Unfallverhütungsvorschriften einhalten

Die BG erlässt verschiedene Vorschriften (z. B. DGUV Vorschrift 1, 2, 68, 70 usw.).
Diese sind verbindlich und werden kontrolliert.

3. Arbeitsunfälle melden

  • meldepflichtig ab mehr als 3 Tagen Arbeitsunfähigkeit

  • meldepflichtig bei schweren oder tödlichen Unfällen sofort telefonisch

4. Zusammenarbeit gewährleisten

Bei Prüfungen, Untersuchungen oder Unfallanalysen müssen Unternehmen kooperieren.

5. geeignete Fachkräfte bestellen

  • nach DGUV Vorschrift 2: Fachkraft für Arbeitssicherheit + Betriebsarzt

6. Unterweisungen & Gefährdungsbeurteilungen durchführen

Die BG kontrolliert auch organisatorische Maßnahmen.

Warum gibt es unterschiedliche Berufsgenossenschaften?

Die Branchenstruktur hat sich historisch entwickelt und ermöglicht:

  • branchenspezifische Expertise,

  • maßgeschneiderte Materialien,

  • angepasste Gefahrklassen,

  • zielgerichtete Präventionsprogramme.

Beispiele:

  • BG Verkehr → Logistik, Transport, Flurförderzeuge

  • BG Bau → Hoch- und Tiefbau

  • BGW → Gesundheit & Wohlfahrtspflege

  • BGHW → Handel & Warenlogistik

  • BG ETEM → Energie, Elektro, Medien

  • BG RCI → Rohstoffe, Chemie, Industrie

Jede BG kennt die typischen Risiken ihrer Branche und bietet entsprechende Lösungen an.

Wie kontrollieren Berufsgenossenschaften Betriebe?

Berufsgenossenschaften führen regelmäßige oder anlassbezogene Betriebsprüfungen durch, z. B.:

  • Unfalluntersuchungen

  • Prüfungen der Arbeitsschutzorganisation

  • Kontrollen von Unterweisungen, Gefährdungsbeurteilungen, Prüfprotokollen

  • Überprüfung von Maschinen, Betriebsmitteln, Verkehrswegen

  • Überwachung der DGUV Vorschrift 2 (Betreuungszeiten)

  • Überprüfung der Stapler-/Hubarbeitsbühnen-Berechtigungen

Dies erfolgt durch Technische Aufsichtsbeamte (TAB), die Weisungsbefugnisse haben und bei Bedarf auch Anordnungen erlassen.

Was passiert, wenn Unternehmen Vorgaben der BG nicht einhalten?

Unternehmen müssen mit folgenden Konsequenzen rechnen:

  • Auflagen oder Fristen zur Mängelbeseitigung

  • Bußgelder bei Verstößen gegen DGUV Vorschriften

  • Zivil- oder strafrechtliche Folgen bei Unfällen

  • Regressforderungen der BG

  • Betriebsstilllegungen einzelner Maschinen / Bereiche bei akuter Gefahr

  • Prüfzyklen werden erhöht

Bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlichem Ignorieren von Vorschriften kann der Fall strafrechtlich relevant werden (z. B. Verletzung der Fürsorgepflicht).

Wie unterstützen Berufsgenossenschaften Betriebe?

Die BG sind nicht nur Kontrollinstanz, sondern auch wichtige Partner. Sie bieten:

  • kostenfreie Schulungs- und Informationsmaterialien

  • Leitfäden, Branchenregeln, Mustergefährdungsbeurteilungen

  • Branchenpräventionsprogramme

  • Sicherheitskampagnen

  • Fortbildungen für Führungskräfte

  • Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung

  • Beratung durch TAB

Viele Unternehmen nutzen diese Unterstützung jedoch nicht ausreichend, obwohl sie im Beitrag bereits enthalten ist.

Welche Rolle spielen die BG im deutschen Arbeitsschutzsystem?

Die BG bilden – gemeinsam mit Arbeitgebern, Gewerkschaften, Staat und Versicherungen – die sogenannte „Unfallversicherungsträger“-Säule.
Sie sind die zentrale Instanz für:

  • Prävention → Vorgaben, Beratung, Kontrolle

  • Rehabilitation → medizinische Versorgung

  • Entschädigung → finanzielle Absicherung

Damit stellen sie einen wesentlichen Bestandteil des gesamten Arbeitsschutzes in Deutschland dar.

Welche Berufsgenossenschaften gibt es in Deutschland?

In Deutschland gibt es aktuell neun gewerbliche Berufsgenossenschaften, die jeweils für bestimmte Branchen zuständig sind. Zusätzlich existieren die landwirtschaftliche Sozialversicherung (SVLFG) sowie die Unfallkassen des öffentlichen Dienstes.
Die gewerblichen BG sind nach Tätigkeits- und Gefährdungsbereichen gegliedert – jedes Unternehmen wird einer dieser BG zugeordnet.

Gewerbliche Berufsgenossenschaften (DGUV-Bereich)

  1. BG BAU
    – Bauwirtschaft, Hoch- und Tiefbau, Handwerksbetriebe im Bauumfeld

  2. BG Verkehr (BGV) und Unfallkasse Post & Telekom (UK PT)
    – Transport, Logistik, Spedition, Hafenwirtschaft, Busse, Schifffahrt

  3. BG Handel und Warenlogistik (BGHW)
    – Einzelhandel, Großhandel, Lagerwirtschaft, Logistikzentren

  4. BG Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM)
    – Elektroindustrie, Energieversorger, Textil, Medienproduktion

  5. BG RCI (Rohstoffe und chemische Industrie)
    – Chemie, Bergbau, Baustoffe, Steine-Erden, Pharma

  6. BG Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN)
    – Lebensmittelindustrie, Gastronomie, Bäckereien, Fleischereien

  7. BGW – Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
    – Krankenhäuser, Pflege, soziale Dienste, Physio/Ergo, Kitas

  8. VBG – Verwaltungs-Berufsgenossenschaft
    – Büro, Verwaltung, IT, Sportvereine, Sicherheitsdienste, Beratungen

  9. BG Metall Nord Süd (früher BGHM)
    – Metall, Maschinenbau, Holzverarbeitung, Tischlerei, Kfz-Gewerbe

Landwirtschaftlicher Bereich

  1. SVLFG – Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
    – Landwirtschaft, Forst, Gartenbau, Weinbau, Tierhaltung

Öffentlicher Dienst / Kommunale Bereiche

Nicht Berufsgenossenschaften, aber Teil der gesetzlichen Unfallversicherung:

  • Unfallkassen der Länder

  • Gemeinde-Unfallversicherungen

  • Feuerwehr-Unfallkassen

  • Unfallkassen für Schüler, Studierende und Kindergartenkinder


Kurz gesagt:

Deutschland hat 9 gewerbliche Berufsgenossenschaften, 1 landwirtschaftliche und zahlreiche öffentliche Unfallkassen. Jedes Unternehmen wird einer der BG automatisch zugeordnet – abhängig von Branche und Gefährdungsschwerpunkten.

Fazit

Berufsgenossenschaften sind ein zentraler Pfeiler des deutschen Arbeitsschutzsystems. Sie kombinieren Prävention, Rehabilitation und Entschädigung und stellen damit sicher, dass Beschäftigte umfassend geschützt sind – von der Unfallverhütung bis zur langfristigen Versorgung nach Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten. Für Unternehmen bedeutet die Mitgliedschaft nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch Zugang zu umfangreicher fachlicher Unterstützung, branchenspezifischen Regelwerken und qualifizierten Ansprechpartnern.

Wer die Vorgaben der Berufsgenossenschaften konsequent umsetzt, verbessert nicht nur die Sicherheit im Betrieb, sondern stärkt die gesamte Arbeitsschutzorganisation – von Gefährdungsbeurteilung über Unterweisungen bis hin zur sicherheitstechnischen Betreuung. Gleichzeitig reduzieren sich Haftungsrisiken, Ausfallzeiten und organisatorische Unsicherheiten. Kurz gesagt: Die BG sind nicht nur Kontrollinstanz, sondern ein wertvoller Partner für jeden Betrieb, der Arbeitsschutz professionell, rechtskonform und nachhaltig gestalten möchte.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ja, ab dem ersten Beschäftigten besteht Pflichtmitgliedschaft.